Am 30.11.1973 beschloss der nationale Verteidigungsrat der DDR neue „Grundsätze für die Führung der Deutschen Demokratischen Republik im Verteidigungszustand“.
Dieser Beschluss hatte weitreichende Folgen für das Bauprogramm zur Errichtung geschützter Führungsstellen und war über einen Zeitraum von 14 Jahren angelegt. Beginnend ab 1976 sollten bis 1990 alle wichtigen Organe der Staats- und Parteiführung, des Ministeriums für Nationale Verteidigung, der Staatssicherheit, des Ministeriums des Innern, des Ministerrates und der 1. Sekretäre der SED Bezirksleitungen geschützte Führungsstellen erhalten. Im Januar 1979 beschloss man in einer Sitzung des ZK der SED unter Leitung von Genossen P. Verner Maßnahmen zur Errichtung von (geschützten) Führungsstellen, zunächst für das ZK der SED, später für die 1. Sekretäre der SED Bezirksleitungen. Daraus erfolgte die Direktive vom 15.08.1980 über die Errichtung geschützter Führungsstellen. Die stationäre Führungsstelle des ZK der SED befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im Tiefkeller des ZK-Gebäudes, u.a. auch in den ehemaligen Tresorräumen der Reichsbank. Ziel war der Aufbau einer Ausweichführungsstelle zur Aufnahme aller wichtigen Abteilungen des ZK der SED außerhalb von Berlin bis 1980. Alle Mitglieder des ZK der SED welche keinen Platz in der AFüSt. gefunden hätten, wären als Nachkommando im Hause des ZK verblieben und in die Führungsstelle im Tiefkeller eingezogen. Die Auswahl und Funktion der Kader, welche in die AFüSt. verlegt hätten war in der B-Planung festgelegt und wurde regelmäßig zu Stabsübungen wie z.B. MEILENSTEIN, MEISTERSCHAFT oder MOSAIKSTEIN trainiert. Diese Übungen fanden sowohl auf Ebene des ZK der SED als auch auf Bezirksebene statt und waren wichtiger Bestandteil der B-Planung. Ebenso waren zentrale Bereiche der SED wie z.B. die ZENTRAG, ZENID, ND, Parteihoch- und Sonderschulen oder auch die Fundament an diesen Übungen beteiligt.
Als Ausweichobjekt, auch AFüSt. genannt, diente dem ZK der SED das Erholungsheim „Karl-Liebknecht“ in Übersee, nördlich von Berlin. Dieses Objekt wurde ab Anfang der 80er Jahre auf die Funktion als AFüSt. vorbereitet und massiv fernmeldetechnisch aufgerüstet. Dazu zählten u.a. direkte Anbindungen über hochkanalige PCM-480 Leitungen an die ÜStn Eberswalde und Oranienburg sowie vorbereitete Richtfunkstrecken in das Richtfunknetz der SED und zu Richtfunkknoten der NVA.
Auszug aus dem Schema der Richtfunkverbindungen im Verteidigungszustand
Die Nachrichtenzentrale im Objekt Übersee hatte die Bezeichnung 18H1. Die Schlüsselzahl 18 kennzeichnet die Abteilung Fernmeldewesen im ZK welche für die nachrichtentechnische Absicherung verantwortlich war. Die Richtfunkstelle des Objektes, im Bild 05-83, hatte u.a. Verbindungen zur Hauptführungsstelle des NVR, dem Objekt 5001 sowie über das Objekt 05A2 auch Verbindung zur Hauptführungsstelle des Ministeriums für Nationale Verteidigung bei Harnekop. Die Ausweichführungsstelle des Zentralen Nachrichten- und Informationsbüro – ZeNIB befand sich wenige Kilometer nördlich in Altenhof am Werbelinsee und hatte die Bezeichnung 18H2. Die AFüSt. der ZENTRAG befand sich bei Liebenberg und trug die Bezeichnung 18H4. Die Anbindung an das Richtfunknetz erfolgte hier über ein Richtfunkobjekt der NVA bei Falkenthal in unmittelbarer Nähe.
Die Reserveausweichführungsstelle zum Objekt Übersee befand sich im Erholungsheim der ZENTRAG in Oderberg und trug die Bezeichnung 18H11. Dieses Objekt war über Richtfunk mit dem Turm 05A2 verbunden und trug als Erholungsheim außerhalb von Spannungsperioden die Bezeichnung 18P9.
Der Aufbau von geschützten Führungsstellen war zum Ende der DDR im Jahr 1989 noch nicht komplett abgeschlossen. Einige Objekte waren begonnen, wurden aber nicht mehr fertig gestellt und die Verträge mit den bauausführenden Betrieben wurden von der PDS im Jahr 1990 gekündigt. Auch hatten nur die wenigsten Bezirksleitungen der SED tatsächlich richtig geschützte Ausweichführungsstellen. Nur die Bezirke Halle, Dresden, Potsdam, Leipzig, Karl-Marx-Stadt und WISMUT hatten mehr oder weniger gut geschützte Objekte.
Die AFüSt. für die BL der SED Halle befand sich in einer unterirdischen Bunkeranlage unweit von Rothenburg an der Saale, direkt gegenüber der dortigen Sprungschanze. Die Richtfunkanbindung erfolgte bis auf eine Ausnahme bei allen Objekten über das S9 Objekt des WBK. Die Verbindung dorthin erfolgte über Kabel. Die Vergabe der Schlüsselnummern der Nachrichtenzentralen der AFüSt. der BL erfolgte analog zum Richtfunknetz nach dem Schema xxH1.
Standorte der AFüSt. der SED BL:
Rostock 01H1: Erholungsheim der SED in Dierhagen, geschützte Kelleretage
Schwerin 02H1: Schloss Basthorst, geschützte Kelleretage
Neubrandenburg 03H1: Tollenseheim, geschützte Kelleretage
Potsdam 04H1: Bezirksparteischule, verbunkerte Kelleretage
Frankfurt/Oder 05H1: Bad Saarow, Erholungsheim Friedrich Engels Damm, geschützte Kelleretage
Cottbus 06H1: Bezirksparteischule, geschützte Kelleretage
Magdeburg 07H1: Gommern, Betriebsberufsschule Kombinat Erdöl–Erdgas, geschützte Kelleretage
Halle 08H1: Rothenburg, Sprungschanze, Bunker
Erfurt 09H1: DRK Heim, Ettersburg, geschützte Kelleretage
Gera 10H1: Schloss Krossen, Institut für Lehrerbildung, geschützte Kelleretage
Suhl 11H1: Oberhof, Sportschule, geschützte Kelleretage
Dresden 12H1: Moritzburg/Volkersdorf, Bunker
Leipzig 13H1: Panitzsch/Sportplatz, Bunker
Karl-Marx-Stadt 14H1: Bezirksparteischule Mittweida, Bettenhaus, verbunkerte Kelleretage
Wismut 16H1: Hartenstein, Objekt der AFüSt der Gebietskoordinierungsgruppe, Bunker 15V2
Alle Objekte, außer den Objekten 08H1 in Rothenburg und dem Objekt 16H1 in Hartenstein, hatten außerhalb von Spannungsperioden eine normale Nutzung als Ferienheim, Schule oder ähnlichem. Alle AFüSt. waren in den jeweiligen Objekten vorbereitet und innerhalb von 24 Stunden für die Nutzung als Führungsstelle einsatzbereit. Alle Urlauber oder Schüler hatten dann sofort abzureisen und es wurde mit der Einlagerung von Lebensmitteln für mindestens 10 Tage begonnen.
Alle AFüSt. hatten in relativer Nähe zum Hauptobjekt auch einen zugeordneten Hubschrauberlandeplatz um ggf. eine schnelle Evakuierung der stationären Führungsstelle gewährleisten zu können.
Für die Kreisleitungen der SED waren ursprünglich auch Ausweichobjekte vorgesehen. Aus Kostengründen wurde davon allerdings wieder Abstand genommen und nur wenige Objekte wurden tatsächlich nach den Vorgaben der „FERRIT“ -Richtlinien eingerichtet. Die überwiegende Anzahl der AFüStn der Kreisleitungen war nicht geschützt und hatte auch keine standhaften Nachrichtenverbindungen.